Humanoide Roboter – Zwischen Vision und Realität

Einleitung

In diesem Teil unserer Reihe zu den fünf größten Robotik-Trends 2025 beschäftigen wir uns mit einem Thema, das nicht nur in unserer Branche für große Schlagzeilen sorgt: Humanoide Roboter. 

Noch vor wenigen Jahren sahen viele sie als Zukunftsvision, als Spielerei ohne tatsächlichen Nutzen, mehr Science-Fiction als Realität, doch inzwischen sind sie eine ernst zu nehmende Technologie geworden. 

Die Entwicklung humanoider Roboter hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Von reinen Forschungsprojekten entwickeln sie sich immer mehr zu praktisch einsetzbaren Systemen.

Wir schauen uns heute an, wie die aktuelle Marktsituation ist, wer die führenden Hersteller sind, in welchen Projekten aktuell bereits humanoide Roboter eingesetzt werden, und welche Vorteile und Herausforderungen es gibt. Zudem geben wir einen kurzen Ausblick in die Zukunft.

Aber zunächst beginnen wir in der Gegenwart.

Aktuelle Marktsituation

Verschiedene Hersteller arbeiten intensiv an der Entwicklung von humanoiden Robotern, und erste Modelle finden bereits ihren Weg in industrielle Anwendungen. Zu den führenden Herstellern gehören unter anderem: 

  • Tesla (USA) – Mit dem Optimus (früher Tesla Bot) entwickelt Tesla einen humanoiden Roboter für alltägliche Aufgaben. Das Unternehmen nutzt dabei seine Erfahrungen aus der KI-Entwicklung für autonomes Fahren.
  • NEURA Robotics (Deutschland) – Mit dem humanoiden Roboter 4NE1 entwickelt NEURA ein System, das durch seine hohe Anpassungsfähigkeit an verschiedene Arbeitsumgebungen und Aufgabenbereiche überzeugt. NEURA ist der einzige deutsche Hersteller, der an einem humanoiden Roboter arbeitet.

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Quelle: NEURA Robotics

  • Boston Dynamics (USA) – Das Unternehmen ist bekannt für seinen humanoiden Roboter Atlas, der durch seine beeindruckende Mobilität und Beweglichkeit hervorsticht. Atlas kann laufen, springen und sogar Parkour-ähnliche Bewegungen ausführen.
  • Agility Robotics (USA) – Ihr humanoider Roboter Digit ist speziell für logistische Aufgaben konzipiert. Er kann Pakete transportieren und in verschiedenen Umgebungen navigieren.
  • Figure AI (USA) – Das Start-up entwickelt den Figure 01, einen humanoiden Roboter für industrielle Anwendungen. Das Unternehmen konzentriert sich auf praktische Einsatzmöglichkeiten in der Fertigung.
  • Xiaomi (China) – Mit dem CyberOne präsentierte Xiaomi einen humanoiden Roboter, der sich durch fortschrittliche Mensch-Maschine-Interaktion auszeichnet und emotionale Intelligenz demonstrieren soll.

Diese Hersteller repräsentieren nur einen Teil des wachsenden Marktes für humanoide Roboter. Aktuell sind rund hundert verschiedene Institutionen und Firmen mit der Entwicklung von humanoiden Robotern beschäftigt, ungefähr die Hälfte davon sind Forschungseinrichtungen. Die meisten kommen aus den USA und China, während Europa hier klar zurückliegt.

Aktuelle Einsatzbeispiele humanoider Roboter

  • Fertigungsassistenz bei BMW: In einem Pilotprojekt unterstützen humanoide Roboter die Mitarbeiter bei der Qualitätskontrolle und beim Transport von Bauteilen in der Produktion.

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Quelle: BMW Group PressClub

  • Logistik in Amazon-Lagern: Erste Tests mit humanoiden Robotern für das Be- und Entladen von Paketen sowie die Navigation durch Lagerhallen werden durchgeführt.
  • Pflegeunterstützung in Japan: In ausgewählten Pflegeeinrichtungen helfen humanoide Roboter bei einfachen Aufgaben wie der Essensausgabe und der Unterhaltung von Bewohnern.

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Quelle: Golem.de

  • Wartungsarbeiten auf der ISS: Spezielle humanoide Roboter unterstützen Astronauten bei Routineaufgaben und Wartungsarbeiten auf der Internationalen Raumstation.
  • Katastrophenschutz: Entwickelte Prototypen werden für den Einsatz in gefährlichen Umgebungen getestet, wie bei der Inspektion beschädigter Kernkraftwerke oder bei Rettungseinsätzen.

Vorteile humanoider Roboter

Obwohl die Entwicklung humanoider Roboter wohl nach wie vor zumindest teilweise ein Prestigeprojekt ist, haben sich durchaus auch echte Vorteile dieser Technologie herauskristallisiert. 

Der wohl eindeutig größte Vorteil ist, dass humanoide Roboter an die menschliche Welt angepasst sind. Klassische Roboter erfordern eine an sie angepasste Umgebung, beispielsweise durch Sicherheitsvorkehrungen wie Zäune. Zudem können sie im Gegensatz zu Menschen nicht beliebige Gegenstände greifen (obwohl das sogenannte Bin-Picking in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt hat).

Ein Roboter, der sich wie ein Mensch bewegen kann und über menschliche Sinne wie Sehen, Hören und Fühlen verfügt, kann in jedem beliebigen Umfeld eingesetzt werden. Das wäre vor allem auch fürs Handwerk und kleine Betriebe interessant, da Umbaumaßnahmen oft einen hohen finanziellen Aufwand mit sich bringen und in kleineren Räumen schwer umzusetzen sind. 

Mit diesem Punkt einhergeht auch die Flexibilität, die humanoide Roboter bieten. Bisher führen Roboter meist eine Aufgabe aus, selten auch mehrere, aber nie so viele, wie ein Mensch es kann.
Ein Schreiner kann zum Beispiel i.d.R. alle Arbeiten ausführen, die zur Herstellung eines Möbelstücks nötig sind. Automatisiert man den Prozess aber, sind dafür mehrere Roboter nötig: Einer fürs Schneiden von Holz, einer fürs Schleifen, zusammenfügen, kleben, etc., da diese Aufgaben unterschiedliche Anforderungen mit sich bringen.
Ein humanoider Roboter hingegen könnte all diese Arbeiten abdecken, so wie sein menschlicher Kollege. 

Auch kann mit einem humanoiden Roboter intuitiv interagiert werden. Anstatt den Roboter zu programmieren, kann man ihm seine Aufgaben zeigen, so wie man es beispielsweise einem Azubi auch beibringen würde. Der Roboter kommt aber sogar bereits mit Fachwissen, was den Einlernprozess noch einfacher gestaltet. 

Das sind die drei wesentlichen Vorteile im industriellen Umfeld. Das alles kann auch auf andere Felder übertragen werden. Beispielsweise ist die Anpassung auf menschliche Umgebungen ein zentraler Punkt, wieso humanoide Roboter für die Servicerobotik interessant sind: Bisherige Roboter haben Einschränkungen, was ihre Mobilität und Flexibilität angeht, ein humanoider Roboter hingegen kann die Umgebung wie ein Mensch navigieren. 

Humanoide Roboter, die vollkommen autonom ohne Probleme laufen, sprechen und interagieren können, haben also großes Potenzial. Der aktuelle Stand der Technik ist hiervon allerdings noch recht weit entfernt. Deshalb blicken wir nun auf die Herausforderungen, die den Herstellern aktuell noch Probleme bereiten.

Aktuelle Herausforderungen

Das momentan wohl größte Hindernis: Die hohen Herstellungskosten. Die Entwicklung und Produktion humanoider Roboter ist mit erheblichen Kosten verbunden. Hochwertige Materialien, fortschrittliche Sensoren, komplexe Antriebssysteme und ausgeklügelte Software treiben die Preise in die Höhe. Dies macht humanoide Roboter derzeit für viele Anwendungen unerschwinglich. Der Preis liegt aktuell im Durchschnitt bei rund 80.000 USD, und auch wenn die Roboter Geld erwirtschaften und sich amortisieren, bleibt das doch eine große Hausnummer, die sich bei weitem nicht jeder leisten kann. 

Die technische Komplexität treibt nicht nur die Kosten in die Höhe, sie stellt auch an sich eine große Herausforderung dar: Die Integration von künstlicher Intelligenz, ausgefeilter Mechanik und präziser Sensorik in einem einzigen System ist komplex, zumal die Komponenten nahtlos miteinander zusammen arbeiten müssen. Zudem ist die Entwicklung von Software, die menschenähnliche Bewegungen und Entscheidungen ermöglicht, nochmal eine zusätzliche Schwierigkeit.

Wer schon mal mit einem humanoiden Roboter interagiert hat, der weiß, wie häufig es zu Störungen kommt und wie weit sich die Realität von den Marketingfilmen unterscheidet. Auch wenn es in den letzten Jahren große Fortschritte gab, ist es doch noch ein weiter Weg, bis humanoide Roboter wirklich ihrer Vision entsprechen.

Ein weiterer Punkt ist die Sicherheit: Wie bei allen anderen Robotern muss auch bei Humanoiden sichergestellt werden, dass von ihnen kein Risiko ausgeht, vor allem, wenn sie eines Tages in Haushalten eingesetzt werden sollen. Sie dürfen weder durch unbeabsichtigte Bewegungen noch durch Fehlfunktionen Menschen gefährden, und das zu gewährleisten, ist eine große Herausforderung. 

Der letzte Punkt, auf den wir eingehen wollen, ist das sogenannte Uncanny Valley. Das beschreibt das Gefühl von Unbehagen, wenn humanoide Roboter zu menschenähnlich werden, aber dennoch nicht perfekt menschlich wirken. Das im Zusammenspiel mit der von Science-Fiction-Filmen geprägten Angst vor Robotern könnte durchaus ein Problem sein.
Es wird viel Geld, Zeit und Energie in die Entwicklung humanoider Roboter gesteckt, doch wenn die Technologie sich aufgrund fehlender Akzeptanz nicht durchsetzt, ist es den aufgebrachten Aufwand nicht wert. Letztlich wird die Zeit zeigen, inwieweit die breite Bevölkerung bereit für die Humanoiden ist.

Ausblick und Fazit

Wo stehen wir also nun, und wie geht es weiter?
Humanoide Roboter haben das Potenzial, die Robotik zu revolutionieren. Auch wenn noch einige Herausforderungen zu bewältigen sind, zeigt der aktuelle Entwicklungstrend, dass diese Technologie zunehmend an Bedeutung gewinnt, und es dauert wohl nicht mehr lange bis zur ersten Serienproduktion.

Experten erwarten in den kommenden Jahren bedeutende Fortschritte, insbesondere in den Bereichen KI und Bewegungssteuerung, Energieeffizienz und Batterietechnologie, Materialwissenschaften und Produktionstechniken sowie Sensorik und Umgebungswahrnehmung. Die Studie “2025 Humanoid Robot Study” prophezeit, dass schon 2030 bis zu 20 Millionen humanoide Roboter eingesetzt werden. Damit diese Zahl Realität werden kann, braucht es definitiv technologischen Fortschritt und gesenkte Produktionskosten. 

Die entscheidende Frage wird sein, ob sich humanoide Roboter gegen etablierte Lösungen durchsetzen können. Der Markt wird letztendlich zeigen, in welchen Bereichen sie ihre Stärken am besten ausspielen können und wo alternative Robotiklösungen möglicherweise besser geeignet sind.