Das vor wenigen Wochen von unserem Verband vorgestellte Papier „Mehr als 1.000.000 Roboter bis 2030 könnten den Personalmangel deutlich reduzieren“ fand große Beachtung. Gerade in unserer Branche war das Feedback positiv. Die genannte Zahl wird für absolut machbar gehalten. Dies nehmen wir zum Anlass konsequent weiter zu denken.
Rückblick auf das „1.000.000 Roboter-Papier“
Kernaussage des Papiers ist, dass der Personalbedarf von bis zu 5 Mio. Menschen bis 2030 durch Zuwanderung nicht lösbar ist bzw. nur zu neuen Problemen führen würde (Wohnraum, Lehrermangel). Da die Robotik permanent weiterentwickelt wird könnte sie mittels applikationsspezifischer Lösungen die Personallücke zu einem beachtlichen Teil schließen. Voraussetzung hierfür ist die gemeinsame Entwicklung dieser Applikationen. In der Folge könnten diese Applikationen – bestehend aus weitgehend bereits vorhandener Hardware und neu zu entwickelnder Software – weltweit exportiert werden.
Als Nutzer für diese Applikationen zu nennen wären das Handwerk, die Gastronomie, die Pflege und viele mehr. Wichtig ist immer der Hinweis, dass ein Roboter nicht den Menschen ersetzen soll und der Wille des Menschen berücksichtigt werden sollte. Heute möchte sich beispielsweise weniger als 40% der Menschen von einem Roboter pflegen lassen. Ermöglicht man ihnen dies, würde der Bedarf an Pfleger bereits deutlich sinken und auch denen, die Roboter ablehnen, wäre geholfen. Das verfügbare Personal hätte mehr Zeit für sie. Ein Fliesenlegerroboter muss nicht den hintersten Winkel in einem kleinen Raum fliesen. Es würde reichen, wenn er große Flächen verlegen würde. Dann würden bereits menschliche Kapazitäten freigesetzt.
1.000.000 Roboter in Deutschland = 5.000.000 Roboter in Europa
Erinnert sei daran, dass jedes Land in Europa wie auch die USA oder sogar Russland und China, das gleiche demographische Problem hat. Außerhalb Deutschlands gibt es in Europa nur in Dänemark eine nennenswerte Robotik-Industrie. Auch die USA sind im Bereich der Roboterarme erstaunlich schwach. Heute dürfte mehr Robotik-Know How in Deutschland als im gesamten Rest der Welt vorhanden sein. In Deutschland sitzen sehr viele innovative Robotik-Startups. Nicht jedes wird „durchkommen“, aber einige sicherlich (siehe Auflistung unten).
Da die europäische Robotik sich stark in Deutschland konzentriert und hier die applikationsspezifischen Lösungen entwickelt werden sollen, stellt sich die Frage wie das restliche Europa „versorgt“ werden soll. Wie erwähnt, haben alle Länder vergleichbare Probleme. Damit ergibt sich schnell ein Bedarf an Roboter-Armen aller Kategorien von eher 5 Mio. Stück bis 2030 allein für Europa.
Erkennt Deutschland den strategischen Wert als Fertigungsstandort für Robotik?
Damit stellt sich die Frage, wo die benötigten Roboter hergestellt werden sollen. In Deutschland oder – dort gibt es bereits starke Robotik-Industrien – in China, Japan oder Süd-Korea?
Spontan lautet die Antwort aus deutscher Sicht wohl: „Natürlich hier. Robotik hat Zukunft. Wir wollen von ihr profitieren.“
Der Antwort stimmen wir absolut zu, sehen aber auch die großen Probleme bei der Umsetzung.
Startups sollten sich auf die Technik konzentrieren können
Die deutsche Robotik der Zukunft wird neben Kuka maßgeblich durch Startups getragen. Dies ist Chance (viele neue Ideen) und Risiko (zu wenig Kapital, unvertraute Komplexität etc.) zugleich. Nun kann Deutschland jedes Startup alleine „werkeln“ lassen oder dort unterstützen, wo es sinnvoll ist. Dies macht China.
Die Kernkompetenz von Startups ist die Technik, nicht aber die Fertigung. Bei der Fertigung wäre eine konzentrierte Unterstützung im nationalen Interesse. Wenn hier allen Firmen die gleiche Unterstützung gewährt würde, gäbe es keine nennenswerte Wettbewerbsverzerrung. Auf europäischer Ebene auch nicht, da es in der Rest-EU nur wenige weitere Hersteller von Roboterarmen gibt (Dänemark). Zudem handelt es sich um einen Wachstumsmarkt und es werden völlige neue Roboterarten hinzukommen, z.B. humanoide Roboter. Schließlich sollte die Fertigung jedem Marktteilnehmer offenstehen. Dies gilt sowohl für Unternehmen in anderen EU-Ländern wie auch in Asien. (Der japanische Roboterhersteller Yaskawa hat bereits ein Werk in Slowenien.)
Nationale Roboter-Fabrik
Der Deutsche Robotik Verband plädiert vor diesem Hintergrund für eine nationale Roboter-Fabrik, die allen Herstellern offenstehen soll. Diese könnte in verschiedene Hersteller-Abschnitte segmentiert werden. Dennoch könnten Synergien gehoben werden. Zugleich könnte der absehbare Personalmangel beim Aufbau vieler dezentraler Fertigungen behoben werden, wenn bestehende Infrastruktur übernommen würde. Eine nationale Roboter-Fabrik dürfte auch Rückhalt bei den Startups finden. David Reger, Gründer und Chef von NEURA Robotics, „unterstützt ausdrücklich“, so seine Worte, die Idee. Er sieht den künftigen Absatz primär durch die Fertigungskapazitäten limitiert. (Dass die Fertuigungskapazitäten den Absatz limitieren gab es schon häufiger, z.B. Wechselrichter beim Solarboom. Aktuell gibt es u.a. zu wenig Wärmepumpen, Solar-Panele etc.)
Hier könnte der Staat helfen, so unser Standpunkt. Mit anderen deutschen Roboter-Herstellern wurde noch nicht gesprochen. Fest steht, dass kein heimischer Hersteller Kapazitäten hat um die künftige Nachfrage zu befriedigen.
Ford Saarlouis wird 2025 geschlossen – künftige teilweise Nutzung als nationale Roboter-Fabrik?
Der Autokonzern Ford gab im Juni bekannt sein Werk in Saarlouis Mitte 2025 schließen zu wollen. Betroffen sind etwa 4.600 Mitarbeiter sowie Zulieferer. In der Vergangenheit wurde dort u.a. der Ford Capri hergestellt (Foto oben). Im Sommer unterlag das Werk im konzerninternen Wettbewerb dem Werk in Valencia. Das Saarland gilt bekanntlich als strukturschwach. Umso schwerwiegender wäre die angedachte Schließung für dieses Bundesland.
Der Deutsche Robotik Verband stellt die Frage, ob das heutige Auto-Werk nicht künftig als nationale Robotik-Fabrik genutzt werden kann. Unser Verband nennt zwar unten die potentiellen Nutzer, stand bezüglich einer Nutzung aber noch nicht in Kontakt mit den Unternehmen. Er will lediglich eine Diskussion anstoßen.
Vorbild bei der Transformation Automobil zur Robotik könnte die United Robotics Group sein, die mehrheitlich der Ruhrkohle-Stiftung gehört. Diese baut nun auf dem Gelände des ehemaligen Opel-Werks in Bochum (Link).
Braucht es volumenmäßig eine solch große Robotik-Fabrik?
Elon Musk hat bei der Präsentation des Tesla-Roboters „Optimus“ gesagt, dass für Tesla die Roboter wichtiger als die Autoproduktion werden könnten und schon „bald Millionen Roboter“ produziert werden können (Link). Nun ist Musk für seine visionäre oder gar vollmundigen Ankündigungen bekannt, aber selbst wenn Tesla nur 20% des von ihm angedachten Volumens erreichen würde, könnte ein Werk wie Saarlouis (teilweise) ausgelastet werden. Denn einerseits handelt es sich um ein kleineres Werk und dann ist Tesla nur ein (großer) Autohersteller unter vielen. In Saarlouis könnte aber ein Großteil der deutschen Robotik-Industrie fertigen.
Übrigens baut der weltgrößte Hersteller von Industrie-Robotern, die japanische FANUC, seine Fertigungskapazitäten für die “Cobots”, einer Robotergattung, die sich gerade für KMU eignet, massiv aus (Link).
Wie könnte eine Umsetzung aussehen?
Der Grundansatz ähnelt dem von Einkaufscentern oder auch Gewerbehöfen in Großstädten: Ein staatsnaher Betreiber stellt die Immobilie und erbringt weitere Leistungen. Hier könnte er die Mitarbeiter von Ford übernehmen und den einzelnen Firmen zur Verfügung stellen. Da die Roboternachfrage erst sukzessive zunehmend wird, wären Anlaufverluste nicht auszuschließen. Um diese sowie die bisherigen Anwartschaften der heutigen Ford-Mitarbeiter abzusichern, müßte der Betreiber vom Land Saarland oder dem Bund gedeckt werden. Um Startkapital zu haben müßte er von Ford die angedachten Liquidationskosten incl. Abfindungen erhalten. Mitarbeiter, die lieber das Unternehmen verlassen wollen, sollte die Möglichkeit hierzu gegeben werden incl. Mitnahme der Abfindung.
Ob die Idee umsetzbar und tragbar ist, werden erst genauere Berechnungen zeigen können sowie die weitere Entwicklung des Marktes. Für den Staat besteht im Zuge der Haftungsübernahme durchaus ein Risiko. Alternativ müßte aber die ganze Region auf Jahre enorme Wohlstandsverluste hinnehmen.
Das Auto-Werk in Saarlouis entstand übrigens zur Unterstützung der Transformation von Kohle hin zu neuen Industrie. Dies kann sich nun wiederholen.
Deutsche Robotik-Startups in alphabetischer Folge
- AEON Robotics GmbH: Dürfte 2023 den Markt betreten mit Robotern, die über Hände und möglicherweise zwei Arme verfügen. Sitz ist Braunschweig.
- Agile Robots AG: Sitz in München mit kleinerer Produktion im bayerischen Kaufbeuren und größerer Fertigung in China. Das Unternehmen ist das erste Robotik-Einhorn der Welt. (Bewertung von über 1 Mrd. US-$).
- Franka Emika GmbH: Mit Sitz in München bedient das Unternehmen sowohl Forschung, Industrie wie auch Medizin. Fertigung in Durach/ Kempten.
- Neura Robotics GmbH: Hat neben Cobots für Unternehmen auch Haushaltsroboter sowie einen humanoiden Roboter in der Entwicklung. Mit fast 100 Mio. US-$ das zweitbeste finanzierte deutsche Robotik-Startup. Seine KI-Modelle werden am Sitz in Metzingen/ Lkr. Reutlingen gefertigt. Die preiswerteren Roboter in China.
- RobCo GmbH: Startup mit erstem modularen Roboter und dem durch die „Höhle der Löwen“ bekannten Frank Thelen als Investor. Fertigung in Bayern.
- Die in der Folge in den Markt eintretenden Firmen Festo und Beckhoff verfügen noch nicht über eine eigene Roboterfertigung.
- Kuka und igus wären ebenfalls ansprechbar.
- United Robotics Group baut derzeit eine Fertigung in Bochum auf.
Kontakt: Vorstand des DRV oder Autor des Papier (Guido Bruch).