Agrarrobotik im Überblick 

Anlässlich der DLG Feldtage, die vom 11.-13. Juni in Erwitte/Lippstadt stattfanden, wollen wir uns in diesem Beitrag dem Thema Agrarrobotik widmen. 

Agrarrobotik ist wohl einer der größten Wachstumsmärkte in der Robotik und ein sehr spannendes Feld, da es auch gesellschaftliche Relevanz hat. Der Bedarf ist hoch, und Landwirte zeigen sich grundsätzlich sehr offen für neue Technologien.

Continental-Studie: Landwirtschaft im Wandel

Continental hat im Herbst 2023 zusammen mit dem Marktforschungsinstitut Innofact AG eine Studie zum Thema “Landwirtschaft im Wandel” durchgeführt, die ein hervorragender Ausgangspunkt für dieses Thema ist. 

Es wurden 503 Landwirte aus Deutschland, Frankreich, USA, Brasilien und Japan zu ihrem Arbeitsalltag, Sorgen und Herausforderungen befragt.

Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass Nachhaltigkeit und Umweltschutz für einen Großteil der Befragten (69 %) der wichtigste Faktor ist, der den mittelfristigen Erfolg des eigenen Betriebs bestimmt. Auch gaben 63 % an, die Folgen des Klimawandels tagtäglich zu spüren. Aus diesem Grund herrscht großes Interesse an umweltfreundlichen Maschinen und Technologien: 87 % der Landwirte gaben an, dass es ihnen wichtig ist, solche Geräte im Betrieb einzusetzen. 

Eine Herausforderung bei der Digitalisierung und Automatisierung der Landwirtschaft ist die Kluft, die sich schon jetzt abzeichnet: Es sind vor allem größere Betriebe, die Technologien einsetzen, während kleinere weniger oder gar keine digitalen Technologien nutzen. 

Interessant ist, dass in Deutschland, Frankreich und den USA insgesamt 13 % noch keinerlei Digitalisierung im Betrieb nutzen, in Japan sind es sogar 60% und in Brasilien nur 5%. Diese Zahlen wirken überraschend, schließlich kennt man Japan sonst eher als Vorreiter in der Automatisierung und Technologie. 

Aktuell werden vor allem Apps für Smartphone / Tablet (45 %), GPS-gesteuerte Landmaschinen (41 %) und Drohnen (27 %) eingesetzt. Roboter und KI sind mit 13 % bzw. 10 % Nutzung noch eher selten. Das wird sich aber wohl schon bald ändern, und schon jetzt planen 20 % bzw. 19 % der Landwirte, in den nächsten 5 bis 10 Jahren Roboter bzw. KI einzusetzen. Sieht man sich aber die Geschwindigkeit an, mit der Durchbrüche in KI und Robotik in den letzten Jahren erzielt wurden, ist ein größeres Wachstum durchaus realistisch. 

Künstliche Intelligenz und Agrarrobotik

Künstliche Intelligenz ist auch in der Landwirtschaft einer der Schlüsselfaktoren zu mehr Automatisierung: Aktuell ist die Verarbeitung und Vernetzung der Daten eines der größten Hindernisse. In landwirtschaftlichen Betrieben gibt es Geräte, Fahrzeuge und Tools von verschiedenen Herstellern, die oft nicht miteinander kompatibel sind, sodass kein Datenaustausch möglich ist. Eine übergeordnete KI, die die verschiedenen Datenquellen bündelt, auswertet und steuert, würde hier Abhilfe schaffen. 


Die Möglichkeiten für KI in der Landwirtschaft sind riesig, ebenso wie die von Agrarrobotern.
Wie ihre Kollegen in Fabrikhallen und Produktionen haben auch Agrarroboter den Vorteil, schneller, flexibler und präziser zu sein als andere Landmaschinen. Vor allem letzteres kann zu einer wahren Zeitenwende in der Landwirtschaft führen. 

Denn schon jetzt gibt es viele Prototypen und Pilotprojekte, bei denen Roboter gezielt bewässern, Pflanzenschutzmittel sprühen und düngen, was zur Ressourcenschonung beiträgt. Außerdem können sie, im Zusammenspiel mit KI, den Gesundheitszustand von Pflanzen überwachen und kranke Pflanzen behandeln, oder auch einzelne Früchte aussortieren. Das sorgt für eine höhere Qualität der Pflanzen und der Ernte, es spart Arbeitskraft und Zeit und wird langfristig die Landwirtschaft auf ein neues Level bringen. 

Auch kann es den Einsatz von Pestiziden überflüssig machen, da Unkraut und Schädlinge durch Kamerasysteme erkannt und gezielt herausgerissen oder mit kochendem Wasser übergossen werden können. 

Zudem führt diese Verfügbarkeit von quantitativ und qualitativ hochwertigen Daten zu mehr Entscheidungs-und Planungssicherheit für Landwirte, und sie macht es beispielsweise auch einfacher, Förderanträge auszufüllen, da die oftmals benötigten Daten einfach per Tablet abgerufen werden können, anstatt sie erst mühevoll zu erheben. 


Ein weiterer Vorteil von Agrarrobotern ist deren geringes Gewicht. Bodenverdichtung ist ein großes Problem, und jegliche Entlastung ist hier hilfreich. 

Ist-Stand: Wer entwickelt Agrarroboter?

Das Interesse bei den Landwirten für Robotertechnologie ist groß, und das Potenzial der Agrarrobotik ist durchaus bekannt in der Branche. 

So feierte bei den DLG Feldtagen 2024 beispielsweise FarmRobotix Premiere; eine neue, internationale Plattform für moderne Robotertechnologien, Digital Farming, automatisierte Prozesse und fortschrittliche KI-Algorithmen.
Es gibt auch den jährlich stattfinden Wettbewerb Field-Robot Event, bei dem Studierende mit selbst entwickelnden Feldrobotern gegeneinander antreten.

Zudem waren 24 Aussteller im Bereich Automatisierung und Robotik vor Ort, zwei davon wollen wir kurz exemplarisch vorstellen.

digital workbench hatte im vergangenen Jahr Schlagzeilen gemacht, als sie eine Kooperation mit KUKA verkündet haben. Das Unternehmen, das neben der Agrarrobotik auch beispielsweise im Automotive-Bereich tätig ist, hat eine autonome Multi-Trägerplattform mit dem Namen Tipard 1800 entwickelt, die ganze Prozessketten übernehmen kann, wie beispielsweise Säen, Düngen und Ernten. 

Auf diese Plattform kann ein KUKA KR Agilus gebaut werden, der dann zur Apfelernte eingesetzt wird. Es fehlt oft an saisonalen Arbeitskräften, die diese Arbeit übernehmen, weshalb das eine hilfreiche Innovation ist. Es handelt sich um das erste autonome Apfelernte-System, das die Früchte nicht beschädigt. 

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digital workbench und KUKA haben in Kooperation einen Roboter für die autonome Apfelernte entwickelt. (Quelle: KUKA)


Darüber hinaus hat digital workbench unter anderem auch Digitalisierungslösungen im Angebot sowie ein Sensorsystem, das mithilfe von Kameratechnik Bilder von Pflanzen und Objekten auf den Feldern erstellt, die dann ausgewertet werden können.

Die Farming Revolution GmbH hat einen autonomen Hack-Roboter entwickelt, der auf 5 mm genau Flächen bewirtschaftet und auch Unkräuter entfernt, die mit der Kulturpflanze überlappen, ohne diese zu beschädigen. Die Erkennung erfolgt schon ab 1 cm Pflanzengröße, das heißt, schon im Keimstadium werden sowohl Kulturpflanzen als auch Unkraut erkannt. Zudem schafft der Roboter eine 100 prozentige Bearbeitung des Feldes, sowohl in als auch zwischen den Reihen.

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Der Hackroboter von Farming Revolution GmbH erkennt verschiedenste Pflanzen und entfernt Unkraut präzise. (Quelle: Stefan Tovornik)

Es gibt viele Prototypen und Start-ups, die an der Entwicklung verschiedenster Agrarroboter arbeiten, und viele davon zeichnen sich durch die gleichen Features wie die Roboter der beiden oben genannten Unternehmen aus: autonom, smart und präzise – das sind die drei Hauptkriterien, die Farmroboter erfüllen sollen. 

Neben Start-ups sind auch etablierte Landmaschinenhersteller dabei, Lösungen für das Smart Farming und die Agrarrobotik zu entwickeln.
So arbeitet Fendt beispielsweise bereits seit Jahren an “Xaver”; ein Roboter, der an einen Miniatur-Traktor erinnert und für das autonome Säen entwickelt wird. 

John Deere ist dabei, autonome Traktoren zu entwickeln, und auch Continental hat mit ‘Contadino’ einen modular aufgebauten Agrarroboter im Angebot, der für verschiedene Arbeiten eingesetzt werden kann. 

Fazit: Agrarrobotik ist eine Schlüsselkomponente für das Smart Farming

Insgesamt zeigt sich, dass Smart Farming die Zukunft der Landwirtschaft ist – eine Entwicklung, der sich Hersteller und Landwirte gleichermaßen bewusst sind. 

Agrarroboter werden hier eine große Rolle spielen, da sie nicht nur intelligent sind und dadurch autonom agieren und dem Bauern wichtige Daten liefern können, sondern auch dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken. Viele Hersteller und Start-ups entwickeln Roboter, die auf die spezifischen Bedürfnisse von bspw. Obstbauern zugeschnitten sind. 

Obwohl sich viel tut, steckt die Agrarrobotik noch in den Kinderschuhen, da es für Probleme wie die Kompatibilität mit anderen Maschinen noch kaum Konzepte gibt. Vielleicht hilft der Vormarsch von KI hier bei der Lösungsfindung; sicher ist aber, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Landwirtschaft revolutionieren wird. 

Der Deutsche Robotik Verband wurde nicht nur als Verband für Industrierobotik gegründet, sondern auch mit Blick auf Themen wie Agrarrobotik. Der DRV soll die Robotik in Deutschland insgesamt repräsentieren, weshalb wir uns freuen würden, auch Hersteller von Agrarrobotern bei uns als Mitglieder begrüßen zu dürfen.