Auswahl des Roboters: Wie finde ich den richtigen Industrieroboter für mich?

In unserer Reihe Der Einstieg in die Automatisierung mit Robotern klären wir im Detail die wichtigsten Fragen, die sich beim Einstieg in die Automatisierung stellen. Im heutigen Teil beschäftigen wir uns mit der Auswahl des Roboters, wie Sie also den richtigen Industrieroboter für sich finden.

Diese Frage ist natürlich etwas vereinfacht gestellt, da oft mehrere Roboter oder gar ganze Anlagen benötigt werden, die Überlegungen sind jedoch grundsätzlich immer die gleichen. 

Die Wahl des richtigen Roboters besteht aus drei großen Kernfragen:

  1. Was soll der Roboter machen und welche Kriterien ergeben sich daraus?
  2. Cobot oder klassischer Industrieroboter oder Roboterzelle?
  3. Welcher Hersteller ist der passende? 

Im Folgenden gehen wir auf jede dieser Fragen genau ein.

1. Was soll der Roboter machen und welche Kriterien ergeben sich daraus?

Im vorherigen Beitrag haben wir über die Erstellung der Automatisierungsstrategie gesprochen. Wir empfehlen, den Artikel zuerst zu lesen, bevor Sie mit diesem hier fortfahren. 

Dort haben wir bereits darüber gesprochen, dass zunächst an den wichtigsten oder dringendsten Stellen mit der Automatisierung begonnen werden soll, und darauf aufbauend kann dann eine Strategie für die Automation der restlichen Produktion erstellt werden. 

Sie wissen also, welche Aufgabe als erstes automatisiert werden soll, jetzt gehen wir ein bisschen mehr ins Detail und betrachten, welche Anforderungen an den Roboter sich ergeben.

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Die Applikation ist ein zentrales Auswahlkriterium: Die Anforderungen an einen Schweißroboter sind ganz anders als die an einen, der für Pick and Place Aufgaben eingesetzt werden soll.

Über diese grundlegenden Kriterien sollten Sie sich Gedanken machen: 

  • Traglast: Der Roboter muss eine geeignete Traglast für die Aufgabe haben. Diese darf nicht geringer sein, als das Gewicht, das der Roboter heben muss. Gleichzeitig sollte die Traglast auch nicht wesentlich zu hoch sein, zumal höhere Traglast oft auch höhere Kosten bedeutet.
    Hier ist zu beachten, dass man zum Gewicht des Produkts auch noch das Gewicht des Endeffektors hinzurechnen muss. Wenn das Gewicht des Endeffektor + Produkt größer als die Traglast ist, dann ist auch der Verschleiß höher.
  • Geschwindigkeit/Taktzeit: Wenn der Roboter in hoher Stückzahl produzieren soll, ist ein Scara- oder Deltaroboter vielleicht eine gute Wahl, ein Cobot eher weniger. 
  • Genauigkeit: Der Roboter muss die benötigte Präzision schaffen. Beim Zusammenfügen von großen Bauteilen ist eine Wiederholgenauigkeit von +/- 0,5 mm normalerweise ausreichend, bei Mikroelektronikteilen nicht. 
  • Arbeitsbereich: Der Roboter muss über eine ausreichende Tragweite und Arbeitsbereich verfügen. Und wer nur begrenzt Platz hat, muss nach einem eher platzsparenden Roboter schauen. Möchten Sie große Arbeitsbereiche schnell mit dem Roboter erreichen, dann wäre vielleicht ein Seilroboter die richtige Wahl.
  • Aufstellvarianten: Soll der Roboter auf einem Tisch, dem Boden, der Wand oder an der Decke montiert sein? Oder vielleicht auch auf einer fahrenden Achse oder einem autonomen mobilen Roboter? 
  • Umgebungsbedingungen: Wird der Roboter in feuchten, öligen oder staubigen, etc. Umgebungen eingesetzt, muss er die benötigte Schutzklasse haben. 

Grundsätzlich gilt das Prinzip “so viel wie nötig, so wenig wie möglich” – der Roboter muss natürlich die benötigte Traglast, Schutzklasse oder Präzision haben, man muss aber auch nicht über das Ziel hinausschießen. Höhere Leistung bedeutet mehr Kosten – wenn diese gebraucht wird, kommt man um diese Ausgaben nicht herum. Tut es aber ein Roboter mit weniger Präzision oder geringerer Traglast, muss man nicht unnötig tief in die Tasche greifen. 

2. Cobot oder klassischer Industrieroboter oder Roboterzelle? 

Cobots können mit dem Mensch Hand in Hand zusammenarbeiten und benötigen prinzipiell keinen Schutzzaun (das kommt aber immer auf die Anwendung an), sie werden aber häufig eingesetzt, weil die Programmierung einfacher ist als die eines klassischen Industrieroboters. Klassische Industrieroboter sind schon lange etabliert, die Programmierung ist nicht immer ganz so leicht, dafür bieten sie die meisten Möglichkeiten und sind oft schneller und präziser als Cobots.
Roboterzellen gibt es inzwischen standardisiert speziell für KMUs – sie sind eine gute Lösung für etwas simplere Anwendungen wie Palettieren oder Schweißen, die Schutzzäune erfordern. Gibt es für Ihre Anwendung eine fertige Roboterzelle, ist das wahrscheinlich die einfachste Lösung, wenngleich auch vielleicht nicht immer die richtige, z.B. wenn mehr Flexibilität benötigt wird. 

Wir wollen aber speziell auf die Frage Cobot vs. klassischer Industrieroboter eingehen, da das ein Thema ist, das für viele relevant ist.

Kurz zu den Vor- und Nachteilen der beiden Roboterarten: 

  • Klassische Industrieroboter sind grundsätzlich robuster und haben eine längere Lebensdauer. Cobots werden auch Leichtbauroboter genannt und sind leichter gebaut, wie der Name schon verrät, beispielsweise durch die Verwendung von Kunststoff anstelle von Stahl.
  • Damit einhergeht auch, dass klassische Industrieroboter je nach Modell höhere Lasten bewältigen können. Cobots wiegen in der Regel rund 10 – 50 Kilogramm, somit können sie natürlich keine Lasten von 100 Kilogramm heben. Klassische Industrieroboter gibt es in allen Größen und mit Traglasten von bis zu 3,5 Tonnen.
  • Klassische Industrieroboter können bis zu 20-mal schneller arbeiten als Cobots im kollaborativen Modus, da hier die Geschwindigkeit aus Sicherheitsgründen auf 250 mm/s beschränkt ist. Im nicht-kollaborativen Modus können sie schneller sein, jedoch sind Cobots aktuell nicht wirklich für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt.
  • Cobots können mit dem Menschen Hand in Hand zusammenarbeiten, ohne Schutzzaun. Durch ihre Sicherheitstechnologie ist die Zusammenarbeit mit dem Menschen grundsätzlich gefahrlos möglich, sofern es die Anwendung zulässt. Für klassische Industrieroboter gibt es inzwischen Tools (wie bspw. die druckempfindliche Haut von AIRSKIN), die das auch ermöglichen, allerdings sind sie normalerweise für den Einsatz hinter einer Schutzeinrichtung gedacht. 
  • Cobots sind in der Regel einfacher zu programmieren, da sie oft über Programmiertools mit grafischer Oberfläche oder Low- oder No-Code-Programmierung verfügen. Deshalb sind sie auch so beliebt: Nur in den seltensten Fällen werden Cobots tatsächlich für kollaborative Arbeiten eingesetzt, die meisten Firmen schaffen sich Cobots aufgrund der vereinfachten Programmierung an. Besonders einfach wird es, wenn man den Roboter einfach an die Hand nehmen, den Roboter an die einzelnen Punkte führen und diese dann einteachen kann.
    Die Programmierung des klassischen Industrieroboters ist kein Hexenwerk, bedarf aber doch einer Schulung. Auch hier werden aber immer mehr Tools entwickelt, die die Programmierung einfacher machen.

Grob gesagt sind Cobots leichter, einfacher zu bedienen und programmieren und sie könnten mit dem Menschen Hand in Hand zusammenarbeiten, klassische Industrieroboter gibt es aber hingegen in allen Leistungsklassen, sodass auch spezifischen Anforderungen gerecht werden kann. Klassische Industrieroboter sind oft hoch spezialisiert, während Cobots eher Allrounder sind.

Hier ist eine Auswahl an Fragen, die bei der Entscheidung Cobot vs. klassischer Industrieroboter helfen:

  • Muss mein Roboter mit Menschen kollaborieren? Wenn ja, dann ist ein Cobot wahrscheinlich die sinnvollste Wahl, auch wenn es inzwischen Tools gibt, mit deren Hilfe klassische Industrieroboter mit Menschen zusammenarbeiten können. 
  • Welche technischen Anforderungen habe ich? Schafft ein Cobot diese?
  • Wie viel Platz habe ich? Bei wenig Platz ist ein Cobot, der ohne Schutzeinrichtung platziert werden kann, vielleicht die bessere Wahl.
  • Wie wichtig ist mir die einfache Programmierung? Cobots sind, wie bereits erwähnt, grundsätzlich einfacher zu programmieren. Vielleicht ist ein klassischer Industrieroboter für die Anwendung aber sinnvoller, dann kann man sich nach Tools umsehen, die die Programmierung vereinfachen.
  • Ist meine Anwendung gefährlich? Nur weil ein Cobot mit Menschen kollaborieren kann, heißt das nicht, dass jede Anwendung das auch zulässt. Ein Roboter, der mit spitzen Messern schneidet oder mit gefährlichen Stoffen hantiert, gehört in der Regel immer hinter eine Schutzeinrichtung. In diesem Fall ist dann vielleicht ein klassischer Industrieroboter, der mehr Leistung schafft, die bessere Wahl. 
  • Wie flexibel muss die Produktion sein? Soll der Roboter mehrere Aufgaben oder Prozesse übernehmen oder verschiedene Bauteile produzieren? Cobots bieten grundsätzlich mehr Flexibilität, da sie leichter umprogrammiert werden können.
  • Wie hoch ist mein Budget? Cobots sind grundsätzlich teurer als klassische Industrieroboter, die eine ähnliche Leistung schaffen, allerdings können bei letzteren noch mehr Zusatzkosten dazu kommen wie die Schutzeinrichtung, ein professioneller Programmierer oder Programmierschulungen.
Auswahl des Roboters
Cobots sind eine tolle Alternative zu klassischen Industrierobotern, allerdings sind sie nicht für jeden geeignet. (Bildquelle: iStock.com)

Diese Fragen dienen als Orientierungshilfe, letztlich liegt die Entscheidung aber bei ihnen.

Auch hier kurz noch ein Wort zum Budget: Cobots kosten bei gleicher Reichweite und Traglast grundsätzlich mehr, da die Sicherheitstechnik hier schon im Roboter verbaut ist. Klassische Industrieroboter wirken dann auf den ersten Blick günstiger, allerdings kommen hier noch zusätzliche Kosten dazu, um den Roboter sicher zu machen. Beispiele sind hier Safety-Module für den Roboter, die zwischen 3.000 und 4.000 Euro kosten oder ein Schutzzaun, der bis zu 10.000 Euro kosten kann, bei einer gesamten Zelle oder Anlage jedoch noch weit mehr. Wenn noch kein Mitarbeiter für die Arbeit mit Industrierobotern ausgebildet ist, kommen zudem noch die Kosten für eine Schulung obendrauf. 

Deshalb sind Cobots oftmals die günstigere Wahl, wenn man aber einen klassischen Industrieroboter für seine Aufgabe benötigt, kommt man nicht um die höheren Kosten herum. 

3. Welcher Hersteller ist der passende?

Wie bereits im vorherigen Artikel erwähnt, ist es empfehlenswert, die Produktion mit Roboteranlagen von nur einem oder höchstens zwei Herstellern zu automatisieren. Das macht die Wartung und Bedienung leichter, ebenso wie die Integration und die Zusammenarbeit der Roboter untereinander und mit anderen Maschinen.

Deshalb ist es wichtig, einen Blick auf das Portfolio der Hersteller zu werfen. Wir wiederholen an dieser Stelle unser Beispiel aus dem letzten Beitrag:

 Eine Schreinerei, in der viel poliert wird, möchte zunächst das Schneiden von Holz automatisieren. Roboterhersteller A hat einen guten Roboter dafür im Angebot, der alle Voraussetzungen des Betriebs perfekt erfüllt, allerdings haben sie keinen Polierroboter im Portfolio. Roboterhersteller B hat dafür ein breiteres Angebot an Polierrobotern, dafür ist der Roboter, der fürs Schneiden gedacht ist, nicht ganz so gut wie der von Hersteller A. Betrachtet man nur das Schneiden, ist Hersteller A die bessere Wahl, aber auf lange Sicht ist es vielleicht sinnvoller, beim ‘Schneideroboter’ Abstriche zu machen und stattdessen Hersteller B zu wählen, da das Polieren insgesamt wichtiger ist.

Die Wahl des passenden Herstellers ist nicht unbedingt einfach, dennoch lohnt es sich, Aufwand in die Recherche zu stecken oder einen Berater zu engagieren, der einen bei der Auswahl unterstützt.

Die Auswahl des Roboters zusammengefasst

Es gibt viele Faktoren und Fragen, die beantwortet werden müssen, wenn es um die Wahl des richtigen Industrieroboters geht. Gleichzeitig helfen all diese Kriterien aber auch bei der Navigation im Dschungel der Hersteller und Modelle – was zunächst wie eine bodenlose Suche aussehen mag, wird nach der Eingrenzung dieser Kriterien wesentlich übersichtlicher und das Vergleichen von Modellen und Herstellern wird einfacher. 

Wir hoffen, dass Ihnen dieser Artikel als Leitfaden dienen kann.
Viele unserer Mitglieder sind Hersteller von Robotern oder Tools, oder beraten Unternehmen beim Einstieg in die Automatisierung. Werfen Sie gerne einen Blick in unser Mitgliederverzeichnis.

Im nächsten Beitrag sprechen wir darüber, wie Sie Ihre Mitarbeiter auf die Arbeit mit Robotern vorbereiten.