Als unsere Vorstände durch die Hallen der Hannover Messe liefen, fiel ihnen auf, dass viele chinesische, aber vergleichsweise wenig deutsche Roboter- und Komponentenhersteller vor Ort waren. Ein Blick ins Ausstellerverzeichnis in der Rubrik Robotik bestätigt diese Beobachtung: Neun chinesische Hersteller waren vor Ort, aber nur sechs deutsche.
Vielleicht mag es daran liegen, dass die Hannover Messe nicht so attraktiv wie reine Robotik- und Automatisierungsmessen ist, schließlich sind auf der automatica in München beispielsweise wesentlich mehr deutsche Hersteller vertreten.
Wir wollen aber dennoch diese Beobachtung als Ausgangspunkt für diesen Artikel nehmen und stellen uns die Frage:
Roboter aus China vs. Deutschland – Wohin geht die Zukunft?
China setzt voll auf Roboter
Eine kurze Google-Recherche zum Thema Roboter in China zeigt eine klare Message, wenn man durch die Suchergebnisse scrollt: “China ist Robotik-Weltmacht”, “China dominiert weltweites Robotikwachstum”, “China überholt bei der Roboterdichte die USA” – die Chinesen meinen es ernst mit Robotik.
2022 wurde jeder zweite Roboter weltweit nach China verkauft. Auch die Entwicklung eigener Roboter floriert.
Das Mercator Institute for China Studies (MERICS), welches das größte europäische Institut ist, das sich mit der Analyse Chinas und seiner internationalen Beziehungen beschäftigt, hat eine Studie zu Chinas Weg zur technologischen Unabhängigkeit durchgeführt.
Das Ziel der chinesischen Regierung ist es, im Inland Kapazitäten für die wichtigsten Technologien für die Robotik aufzubauen. Aktuell verwenden chinesische Hersteller oft noch Komponenten und Software von ausländischen Firmen, das soll aber nach und nach abgebaut werden.
So ist beispielsweise der Komponentenhersteller Leaderdrive auf dem Vormarsch, dessen Hauptkunden die chinesischen Roboterhersteller Siasun, Estun, Step Electric und Huashu Robots sind.
In einem weiteren Beitrag werden wir die interessantesten chinesischen Roboterhersteller vorstellen. Das würde aber den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Die chinesische Regierung fördert einheimische Lösungen, wann immer es möglich ist, da die technologische Eigenständigkeit als wichtiger bewertet wird als der Produktivitätszuwachs. Der Staat übernimmt die Kontrolle über jeden Aspekt, von der Forschung bis hin zum Verkauf und Export, und unterstützt die verschiedenen Akteure, um so technisch und wirtschaftlich effizient vorzugehen.
Wie man es von China kennt, wird auch im Bereich der Robotik ein gesamtstaatlicher Ansatz gefahren, bei dem Unternehmen beispielsweise mit Forschungseinrichtungen kooperieren. Zudem gibt es eine umfangreiche Unterstützung für die sogenannten “Little Giants”; das sind Start-ups, denen das Potenzial zugeschrieben wird, dass sie wichtige technologische Lücken füllen können.
China hat den Vorteil, dass sie auf mehr verfügbare Fachkräfte zurückgreifen können. Zudem führt die Priorisierung der lokalen Lieferkette zu einem starken Ökosystem, das inzwischen auch für internationale Hersteller attraktiv geworden ist.
Und die Chinesen sind durchaus am Puls der Zeit, denn das Potenzial von humanoiden Robotern wurde erkannt: Bis 2025 soll eine Massenproduktion von humanoiden Robotern auf ‘international hohem Niveau’ anlaufen, bis 2027 sollen sie weitgreifend eingesetzt werden.
Eine chinesische Studie prognostiziert für humanoide Roboter ein Marktvolumen von über 10 Mrd. Yuan (ca. 1,56 Mrd. USD) bis 2026 und bis 2030 sogar 119 Mrd. Yuan.
Im Global Innovation Index, der die Innovationsfähigkeit von Ländern darstellt, liegt China auf Platz 12, knapp hinter Deutschland auf Rang 8. All das zeigt: Die Zeiten, in denen Made in China für billig produzierte Ware stand, sind zumindest in der Robotik vorbei. Peking priorisiert Forschung und technologische Innovationen und fördert chinesische Hersteller, damit die eigenen Roboter international konkurrenzfähig sind.
Roboter aus China vs. Deutschland im Vergleich
Aber auch die deutschen Zahlen können sich sehen lassen: Während China laut dem World Robotics Report 2023 mit 52% aller weltweiten neuen Roboterinstallationen natürlich auf dem ersten Platz liegt, ist Deutschland mit 5% auch noch in den Top 5.
36% des operativen Roboterbestands in der EU befindet sich laut IFR in Deutschland; 2022 wurden 25.636 neue Robotereinheiten installiert. Das entspricht zwar einem Minus von 1 % im Vergleich zum Vorjahr; insgesamt ging der Trend der letzten Jahre aber nach oben.
Die Produktion von Robotern stieg um 20%, und vor allem der Bereich der Low-Cost-Robotik entwickelt sich gut.
Ein weiterer Blick in den Global Innovation Index verrät, dass sowohl Deutschland als auch China über mehrere Top Science & Technology Cluster verfügen, also Regionen, in denen es besonders viel Innovationstätigkeit gibt.
China liegt wenig überraschend im Hinblick auf die wirtschaftliche Stärke dieser Cluster vorne, 24 der Top 100 wirtschaftlichen Cluster befinden sich in China, neun aber immerhin in Deutschland.
Allerdings hat Deutschland die Nase vorn, wenn es um die ‘Intensität’ geht, das heißt, wie viele Patente und wissenschaftliche Publikationen in Relation zur Einwohnerzahl veröffentlicht werden. Hier hat Deutschland gleich drei Cluster in den Top 25: München auf Platz 10, Nürnberg-Erlangen auf Platz 21 und Stuttgart auf Platz 22. China ist hier nur mit Peking auf Platz 14 vertreten.
Das zeigt: Deutschland hat durchaus alle Grundvoraussetzungen, weiterhin ein entscheidender Global Player in der Robotik zu sein. Dafür müssen wir aber, so wie China, auf unsere eigene Stärke setzen, anstatt uns global abhängig zu machen.
Deutsche Firmen in chinesischer Hand?
Das bringt uns zu einem Punkt, den wir nicht unbeachtet lassen wollen: die Übernahme deutscher Firmen durch China.
Hier ist natürlich KUKA zu nennen, die 2016 vom chinesischen Konzern Midea übernommen wurden und seit 2022 vollständig in der Hand von Midea sind.
Obwohl der Verkauf größtenteils reibungslos von der Bühne ging, wurde er doch zu einer Art Weckruf für die deutsche Politik und Wirtschaft, die nun zwar Chinas Bedeutung als Investor anerkennt, gleichzeitig aber Chinas planwirtschaftlicher Bestrebungen, den globalen Markt unter anderem durch Übernahmen mitzubestimmen, durchaus kritisch gegenübersteht.
Neu entfacht ist diese Diskussion im vergangenen Herbst, als Franka Emika an das deutsch-chinesische Unternehmen Agile Robots verkauft wurde.
Trotz dieser beiden Fälle ist die Anzahl von Übernahmen durch China jedoch insgesamt rückläufig: In Deutschland ist die Zahl der Transaktionen von 35 im Jahr 2021 auf 26 im Jahr 2022 gesunken.
Es muss an dieser Stelle aber auch NEURA Robotics genannt werden, die im Februar verkündeten, dass die Produktion aus China zurückgeholt und noch in diesem Jahr weitestgehend nach Deutschland verlagert wird, zudem wurden sämtliche chinesische Investoren durch westliche ersetzt . CEO David Reger begründete diesen Schritt mit der Aussage, dass sich “internationale Innovationsführerschaft und regionale Verbundenheit nicht ausschließen”.
Fazit: Deutschland muss ‘Roboter Made in Germany’ auf die Agenda setzen
Und das wollen wir auch als Grundlage für unser Fazit nehmen: Der Roboter-Boom Chinas wird nicht zu stoppen sein, was aber nicht bedeutet, dass wir das Handtuch werfen müssen.
China holt auf, aber Deutschland hat aktuell noch die Nase vorn, wenn es um die Innovationskraft geht.
Wir sind super aufgestellt, wenn es um Roboter- und Komponentenhersteller sowie Entwickler von Softwarelösungen und KI geht. Ein Blick ins Mitgliederverzeichnis des DRVs genügt, um zu sehen, dass etablierte Konzerne und neue Start-ups die Robotik-Szene in Deutschland tatkräftig vorantreiben.
Wir verfügen über einen starken Maschinenbau und, wie oben erwähnt, mehrere Technologiecluster, wo Innovationen dank geballter Infrastruktur schneller und effektiver entwickelt werden können. Made in Germany ist nach wie vor ein Qualitätsmerkmal, und unsere zentrale Lage in Europa, sowohl geographisch als auch politisch, ist eine gute Grundlage dafür, dass wir unsere aktuelle Pole Position in Europa beibehalten und idealerweise ausbauen können.
Aber: Egal, wie man Chinas Strategie für sich bewertet, in gewisser Weise muss sie doch ein Vorbild für Deutschland sein. Auch wir müssen unsere Kräfte mobilisieren, strategisch vorgehen und Innovationen beschleunigen, anstatt sie auszubremsen.
Robotik und Automatisierung müssen zur politischen Priorität werden, wir müssen unsere Stärken und Innovationen bündeln. Nach wie vor ist Scheuklappendenken vorherrschend – jeder macht sein Ding und oftmals sind Mitbewerber Konkurrenten. Wir müssen aber zusammenarbeiten, wenn wir Deutschlands Position in der Robotik bestärken wollen.
Unter anderem aus diesem Grund wurde der Deutsche Robotikverband gegründet – wir wollen eine Plattform für den Austausch in der Branche sein, und hoffentlich in der Zukunft eine tragende Rolle dabei spielen, dass der Robotikstandort Deutschland gepusht wird.
Man mag sich hin und wieder so fühlen, als wäre der Kampf gegen China schon verloren, aber das stimmt nicht. Die Chinesen haben ihre Stärken und Schwächen und wir die unseren. Es ist nun an der Zeit, dass wir Roboter Made in Germany auf unsere politische und wirtschaftliche Agenda setzen. Wir müssen definieren, wofür diese Marke heute steht: Qualität, Innovation und Technologie, die den Mensch in den Mittelpunkt stellt.